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Schnee
Sibelius poetisch
Markus Nieminen, Bariton
Ilmari Räikkönen, Klavier

Konzertreihe Jean Sibelius 2018-2022

Ralf Gothoni (*1946)
Fünf finnische Volkslieder (1979)
1. Minun kultani kaunis on
2. Hilu, hilu
3. Soittajapaimen
4. Läksin minä kesäyönä
5. Tule, tule kultani

Oskar Merikanto (1868–1924)
Ausgewählte Lieder nach Gedichten von J. H. Erkko (1849–1906):
Miks laulan, op. 20 Nr. 2 (1891)
Muistellessa, op. 11 Nr. 2 (1891)
Kullan murunen, op. 20 Nr. 1 (1891)
Merellä, op. 47 Nr. 4 (1891)

​Toivo Kuula (1883–1918)
Ausgewählte Lieder nach Gedichten von Eino Leino (1878–1926):
Syystunnelma, op. 2 Nr. 1 (1904)
Tuijotin tulehen kauan op. 2 Nr. 2 (1907)
Aamulaulu op. 2 Nr. 3 (1905)

 

Ausgewählte Lieder nach Gedichten von V. A. Koskenniemi (1885-1962):
Epilogi op. 6 Nr. 2 (1907)
​
Jean Sibelius (1865-1957)
Sechs Lieder für Singstimme und Klavier, op. 36 (1899–1900)
1. Svarta Rosor (Ernst Josephson, "Schwarze Rosen")
2. Men min fågel märks dock icke (J. L. Runeberg, "Doch mein Vogel kehrt nicht wieder")
3. Bollspelet vid Trianon (Gustav Fröding, "Ballspiel in Trianon")
4. Säv, säv, susa (Gustav Fröding, "Schilfrohr, säus’le")
5. Marssnön (J. J. Wecksell, "Märzschnee")
6. Demanten på marssnön (J. J. Wecksell, "Der Diamant auf dem Märzschnee")

​Sieben Lieder von J. L. Runeberg für Singstimme und Klavier, op. 13 (1891–1892)
1. Under strandens granar ("Unter Ufertannen")
2. Kyssens hopp ("Kusses Hoffnung")
3. Hjärtats morgon ("Des Herzens Morgen")
4. Våren flyktar hastigt ("Frühling schwindet eilig")
5. Drömmen ("Der Traum")
6. Till Frigga ("An Frigga")
7. Jägargossen ("Jägerknabe")

Naturhistorisches Museum Basel

April 2019

9. April … ist der Tag der finnischen Sprache. Es ist einer der sog. eingebürgerten Flaggentage, an welchen die Finnen gerne ihre „Blaukreuzflagge“ aufziehen. Es ist der Todestag von Mikael Agricola, dem Reformator Finnlands und Begründer der finnischen Schriftsprache. Seine ABC-Fibel, welche das Alphabet, die Zehn Gebote und das Glaubensbekenntnis beinhaltete, war das erste in finnischer Sprache gedruckte Buch (1543).

Oskar Merikanto und Toivo Kuula. „Der Komponist für das finnische Zuhause“ und „Der tragische Romantiker der finnischen Musik“. Oskar Merikanto und Toivo Kuula gehören zu den meistgeliebten Komponisten Finnlands. Einerseits, weil sie Gedichte vertonten, zu welchen ihre Landsleute eine starke emotionale Verbindung hatten. Andererseits sprechen die Melodien ihrer Lieder den finnischen Sinn für musikalische Schönheit seit deren Uraufführung an. Das grosse Publikum kennt Merikanto und Kuula vor allem als Vokalkomponisten. Auch unter den finnischen Musikforschern herrscht oft die Ansicht, dass gerade die Lieder den Höhepunkt ihres künstlerischen Schaffens bilden.  

Oskar Merikanto komponierte ca. 150 solistische Lieder. Oft werden seine Stücke für Volkslieder („trad.“) gehalten, weil deren Tonsprache so volkstümlich-melodisch ist. Den musikalischen Ursprung der Merikanto-Lieder findet man aber eher im Süden als in der nordischen Liedkultur. Sein Stil ist geprägt vom italienischen Belcanto, was z. B. im Lied “Weshalb ich singe“ zu erkennen ist.

Merikanto war ein aktiver Brückenbauer zwischen dem Publikum und den Vertretern der Kunstmusik. Er arbeitete als Pianist, Organist, Musiklehrer sowie Liedbegleiter. Regelmässig bereiste er das Land, ging auf Tournee und stellte seine Musik vor. Auch als Orgelprüfer war er viel unterwegs in seiner Heimat. Studienreisen führten ihn nach Skandinavien, Grossbritannien, Deutschland, Frankreich und Italien. Insbesondere interessierte er sich für die Entwicklung der europäischen Orgelmusik. Hier leistete er Pionierarbeit in Finnland: 1907 komponierte er das erste bedeutende Orgelwerk. Auch die erste finnischsprachige Oper trägt seinen Namen: 1898 vollendete er „Die Jungfrau des Nordens“ („Pohjan neito“), die eine mythische Geschichte aus dem Kalevala erzählt. In dieser Zeit vertiefte er sich in die finnischsprachige Lyrik, vor allem in die Poesie von J. H. Erkko. Aus Berlin schrieb Merikanto: „…besser als Erkko kann kein Dichter einen Komponisten inspirieren…“ In Berlin vertonte er seine Gedichte „Am Meer“ und „Erinnernd“. Er war der erste Komponist, der sich mit der finnischsprachigen Lyrik konsequent auseinandersetzte.

Toivo Kuula und der Schriftsteller Eino Leino bilden eine weitere bedeutende Dichter-Komponist-Kooperation in der finnischsprachigen Literaturgeschichte. Kuula’s Vertonung von Leino’s Gedicht „Das Morgenlied“ wurde rasch zu einem Publikumsliebling und das junge Komponisten-Talent konnte sich neben Merikanto als Liedkomponist durchsetzen. „Das Morgenlied“ ist eine feinfühlige Arbeit des Künstlers Kuula, dessen Kompositionen eher von dunklen Stimmungen und slawischen Komponenten geprägt sind. Kuula war zwar fasziniert von der impressionistischen Stilrichtung, die er 1909-1910 in Paris erleben durfte, hatte aber leider zu wenig Zeit, seine Eindrücke in die künstlerische Arbeit einfliessen zu lassen: mit nur 34 Jahren verlor er sein Leben im finnischen Bürgerkrieg 1918.

Seine Leino-Interpretationen „Das Morgenlied“, „Die Herbststimmung“ und „Lange starrte ich ins Feuer“ eroberten schnell die Herzen der Zuhörer und Sänger. Der Komponist, der stets nach Texten mit starken Gegensätzen und dramatischer Stimmung suchte, war selbst nicht nur von Leino’s ausdrucksstarker Sprache inspiriert, sondern auch von der Sängerin Alma Silventoinen, seiner Ehefrau, die er in Paris, der Stadt der Liebe, kennenlernte. Seiner Alma widmete er die meisten seiner Lieder. Kuula komponierte 26 solistische Lieder, viele Chorwerke sowie Vokalwerke mit Orchester, die als sein Hauptwerk gelten. Er war der erste Komponistenstudent von Jean Sibelius, der sein Talent sehr schätzte und ihn zu den wichtigsten Vertretern der neuen finnischsprachigen Komponistengeneration zählte.   

”Heute wird Freund Kuula beerdigt, im kalten Schoss der Erde. Wie unendlich traurig sein Künstlerschicksal ist. Viel Arbeit, Talent und Mut – Lebensmut – und dann ist alles zu Ende.„ Tagebucheintrag von Jean Sibelius. Jean Sibelius komponierte 111 Sologesangsstücke, wovon ca. 40 zum Standardrepertoire finnischer Gesangskünstler gehören. Die Sololieder seien neben den Sinfonien das Kronjuwel seines Schaffens, sagen Musikforscher, oder dass sie das Ergebnis seines Bedürfnisses zur kammer-musikalischen Interpretation sind. Stilistisch gesehen waren seine Lieder ein Novum in der finnischen Kompositionsgeschichte. Sie wurden von Sängern, Kritikern und Künstlerkollegen mit viel Interesse und Lob empfangen. Das Spektrum reicht von nordischer Romanze bis zu grossformatigen Dramen.

Er vertonte vorwiegend schwedischsprachige Gedichte; Finnlandschwedisch war seine Muttersprache. Gerne wird es angedeutet, dass aufgrund seiner intimen Beziehung zu schwedischsprachigen Texten, bestimmte Merkmale seines Charakters gerade in den Liedern zu erkennen seien. Von diesen schwiegen seine Orchesterwerke. Die „schwedisch-klassischen“ Elemente seiner Persönlichkeit würden seine „mystisch-finnischen“ Eigenschaften ausgleichen. Das Nationalbewusstsein von Jean Sibelius wurde trotz seines „Schulfinnisch“ mit Akzent nie in Frage gestellt. Geschickt gelang es ihm, den Sprachkonflikt am Ende des 19. Jahrhunderts zu vermeiden, obwohl die Spannung zwischen den Sprachgruppen negative Auswirkungen auf das Kulturleben hatte. Finnisch wurde erst 1902 als offizielle Amtssprache anerkannt, dem Schwedischen gleichberechtigt.
    
Das Opus 36 ist eine Sammlung von sechs Gedichten, die Sibelius um die Jahrhundertwende vertonte. Die meisten von ihnen vermitteln eine düstere Stimmung. Er fasste das Opus aus Stücken zusammen, die klar veranschaulichen, dass er seinen Komponierstil verändert hatte. Seine Musiksprache erinnerte weder an die deutsche Liedtradition noch an die nordische Romanze mehr. Er hatte einen neuen Stil kreiert: das sibelianische Lied.
 
Im Opus 13, die lediglich Gedichte von J. L. Runeberg beinhaltet, sind noch sehr unterschiedliche Musikstile zu hören. Die ersten Lieder dieser Sammlung komponierte er 1890 in Wien. Runeberg, ein finnlandschwedischer Schriftsteller, war sein Lieblingsdichter. Seine Verse waren eine dauerhafte Inspirationsquelle für Sibelius; er schrieb sein erstes (1888) und letztes Lied (1917) zur Runeberg’s Naturpoesie.

„Liebste Aino, schreib mir auf Finnisch. Es ist, als ob ich finnische Melodien hörte.„ Aus einem Brief von Jean Sibelius an seine Verlobte Aino, Oktober 1890, Wien. Der Briefwechsel von Aino und Jean Sibelius im Zeitraum 1890-1904 ist in zwei Büchern veröffentlicht worden. Er schrieb auf Schwedisch, sie auf Finnisch.

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